Nur vier Prozent der NOX-Belastung in Balingen durch die Industrie? Also hauptsächlich durch Holcim, denn von anderen Betrieben im Umland gibt es ja kaum Belastung? Das können sich Norbert Majer und seine Mitstreiter von der Bürgerinitiative kaum vorstellen. Jetzt bringt sich der BUND ein.
Balingen. Wenn der Wind richtig stehe, könne man davon ausgehen, dass die Belastung durch Holcim genau so hoch sei wie die Belastung durch den gesamten Straßenverkehr, sagt Harry Block. Der Karlsruher BUND-Aktivist weiß, mit wem man sich hier anlegt: mit einem der weltweit größten Zement-Konzerne.
Dass das Thema interessiert, zeigt sich auch an der Tatsache, dass längst nicht nur Dotternhausener in den "Hirschgulden" gekommen sind. Auch etliche Balinger sind dabei, und die haben noch ein anderes Problem: die geplante Tempo-30-Zone in der Gesamtstadt – wegen der genannten NOX-Belastung.
Dass Balingen im Sinne der öffentlichen Beteiligung nicht gehört worden sei, als es darum ging, bei Holcim den Einsatz von Ersatzbrennstoffen von 60 auf dann 100 Prozent zu erhöhen, obwohl Endingen und Erzingen in dem Fünf-Kilometer-Radius zum Zementwerk liegen, versteht hier keiner. Schließlich gehe es um die Verbrennung von Müll, argumentiert Harry Block. Und keiner wisse, was in dem von der Firma Korn geschredderten "Fluff" enthalten sei. Das Kürzel steht für "flugfähiger Abfall". Es sind graue Flocken, die dem Inhalt eines Staubsaugerbeutels ähneln. Ausgestoßen werden Stoffe wie Cadmium, Quecksilber, Blei und Zink.
Müllverbrennungsanlagen, argumentiert Block, hätten weitaus bessere Werte als der Drehrohrofen von Holcim. Im Grunde sei der Drehrohrofen nichts anderes als eine Müllverbrennungsanlage. Von "Ersatzbrennstoffen" zu reden, sei eine Verharmlosung. "Den Ofen mit Gas zu betreiben, ist teuer. Den Ofen mit Müll zu betreiben, kostet nichts. Man bekommt sogar Geld dafür."
Erschwerend komme in Dotternhausen hinzu, dass Altreifen und Plastik verbrannt werden dürfen. Schlimmer noch: auch mit dem giftigen Flammschutzmittel BDCB behandeltes Styropor. "Dotternhausen ist Spitze bei Kohlenmonoxid, Stickoxiden, Kohlenstoff gesamt, darin enthalten auch Benzol, und bei Schwefeldioxid. Was in den Abgasen genau drinnen ist, weiß man nicht", betont Harry Block.
Aber genau das wollen die Dotternhausener wissen. Vor allem die, die in unmittelbarer Nachbarschaft zum Zementwerk leben wie Günter Schäfer, der an Schlafapnoe leidet und das ganze Jahr über mit offenem Fenster schlafen muss. Er trägt eine Atemmaske mit Feinstaubfiltern. Zwei davon hat er zu der Info-Veranstaltung mitgebracht. Sie sind braun-schwarz verfärbt. Die werde man jetzt einsenden, sagt Harry Block, "um zu sehen, was drinnen ist".
Es könne nicht angehen, wettert Siegfried Rall, dass der Bürger den Nachweis erbringen müsse, dass Giftstoffe in die Luft geblasen werden: "Dazu gibt’s die Behörden."
Klar, dass man nicht die gesamte Belastung in den Griff bekommen werde. Klar auch, dass man Zementwerke brauche. Aber genau so klar sei, dass für die Umwandlung von einem Kilo NOX ein Kilo Ammoniak eingesetzt werde – hochgiftig und gefährlich. Durch die Umstellung auf das SCR-Verfahren, das etwas teurer sei, brauche man weniger Ammoniak und könne sauberer arbeiten. Das und eine unabhängige Umweltverträglichkeitsprüfung könnten eine wesentliche Verbesserung bringen: "Wir wollen, dass das Verfahren sauber gemacht wird. Es ist nicht sauber."
Quelle:Scharzwälder Bote
Autor: Gert Ungureanu
Foto: Ungureanu Foto: Schwarzwälder-Bote