· 

Sprengungen oder Geologie: Was ist die Ursache für die Risse an einem Dotternhausener Gebäude?

Im Kalksteinbruch auf dem Plettenberg in Dotternhausen wird regelmäßig gesprengt (Archivfoto).       © Daniel Seeburger
Im Kalksteinbruch auf dem Plettenberg in Dotternhausen wird regelmäßig gesprengt (Archivfoto). © Daniel Seeburger

26.10.2022

Sprengungen oder Geologie: Was ist die Ursache für die Risse an einem Dotternhausener Gebäude?

Am 22. April rüttelte es gewaltig in Dotternhausen. Es war aber definitiv kein Erdbeben, sondern eine Sprengung im Kalksteinbruch auf dem Plettenberg. Hat diese Sprengung zu einem Gebäudeschaden in Dotternhausen geführt? Der Hausbesitzer ist sich dessen sicher, das Landratsamt vermutet andere Ursachen. Der Zementproduzent Holcim weist jegliche Schuld von sich und bietet zusätzliche Messungen an.

 

Unzweideutig ist, dass am 22. April dieses Jahres, kurz vor 9 Uhr, die Sprengung in Dotternhausen deutlicher zu spüren war als sonst. Das bestätigt nicht nur der Hausbesitzer, dessen Wohngebäude im Wohngebiet Alleenstraße/Degenhardt in Richtung Roßwangen steht, sondern auch andere Dotternhausener, die zu diesem Zeitpunkt zuhause waren.

Die Erschütterungen sollen sogar so stark gewesen sein, dass es unter anderem durch dieses Sprengung zu „erheblichen und strukturellen Schäden an unserem Wohnhaus (…) und unserer Garage gekommen ist“. So heißt es in der Begründung der Strafanzeige wegen Sachbeschädigung gegen Unbekannt, die der Hausbesitzer bei der Staatsanwaltschaft Hechingen erstattet hat.

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein

Der Anzeigeerstatter weist auf eine weitere „extrem starke Bodenerschütterungen“ hin – und zwar am 17. Dezember 2021 um 10.35 Uhr. Die Vermutung des Hausbesitzers: Es handelte sich um Sprengungen, „mutmaßlich solche von der Firma Holcim in Dotternhausen.“ In der Folge der Erschütterungen hätten sich bereits vorhandene Risse in der Fundamentbodenplatte aus Stahlbeton des 41 Jahre alten Gebäudes beträchtlich vergrößert.

Die Staatsanwaltschaft Hechingen stellt die Ermittlungen schon bald ein. Aber nicht, weil es der Behörde völlig unwahrscheinlich erscheint, dass eine Sprengung im Steinbruch des Plettenbergs Ursache für die Risse sind. Es sei kein bedingter Vorsatz seitens des Zementherstellers nachweisbar, so Staatsanwalt Ronny Stengel im Gespräch mit unserer Zeitung. Eine fahrlässige Sachbeschädigung sei aber nicht strafbar. Ob letztendlich Schäden durch die Sprengung entstanden sind, lässt die Staatsanwaltschaft offen.

Keine weiteren massiven Beschwerden in Dotternhausen

Massive Beschwerden von Dotternhausener Bürgern wegen der Sprengungen gebe es nicht, führt Dotternhausens Bürgermeisterin Marion Maier auf Anfrage aus. Auch mögliche Risse in den Straßen des Wohngebiets führt sie nicht auf die Sprengungen zurück. Große Risse im Straßenbelag seien ihr nicht bekannt. Trotzdem seien natürlich einige Wege und Straßen in der Gemeinde sanierungsbedürftig.

Anders in Ratshausen. Es gebe regelmäßig Rückmeldungen über starke Erschütterungen durch Sprengungen auf dem Plettenberg, führt Bürgermeister Heiko Lebherz aus. Er wisse auch von Rissen in Gebäuden. Ein Nachweis, dass diese von den Aktivitäten im Steinbruch herrühren, gebe es allerdings bisher nicht. Entsprechende Gutachten hätten das nicht bestätigen können.

Für das Landratsamt ist die Sache klar

Für das Landratsamt als Immissionsschutzbehörde ist die Sache klar. Nach den Messungsergebnissen, die der Behörde vorliegen, könnten die Sprengungen nicht Ursache für die Schäden sein. Die Messstelle liegt übrigens in Hausen am Tann. Nach der Beschwerde des Dotternhausener Gebäudebesitzers hat das Landratsamt die Sprengprotokolle mit den technischen Daten vom 22. April ausgewertet. „Aus den Aufzeichnungen und den Messungen gehen keine Informationen hervor, die eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte erwarten lassen. Bei der Einhaltung der Richtwerte ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Sprengungen nicht ursächlich für Schäden an Wohngebäuden sind“, teilt die Balinger Behörde auf Anfrage schriftlich mit.

Beschwerden über die Einwirkungen von Sprengungen und den daraus hervorgehenden befürchteten Schäden seien immer wieder an das Landratsamt herangetragen worden, so Pressesprecherin Marisa Hahn. Und zwar hauptsächlich aus steinbruchnahen Ortsrandlagen von Hausen am Tann und Ratshausen. Beschwerden aus Dotterhausen allerdings seien neu. Für alle Gemeinden gelte: „Dass Schäden aufgrund der Sprengungen aufgetreten sind, konnte bisher nicht festgestellt werden. Die Immissionsrichtwerte für die Sprengungen wurden stets eingehalten. Daher kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass bisher keine Gebäudeschäden durch Sprengungen entstanden sind.“

Gutachten liegen vor

Das Landratsamt weist auch darauf hin, dass Gutachten über die allgemeinen Auswirkungen der Sprengerschütterungen in den Gemeinden Hausen und Ratshausen vorliegen würden. Außerdem lägen jährliche Messeberichte über Sprengerschütterungen vor.

Gibt es also grundsätzlich keine Gebäudeschäden durch Sprengungen in Steinbrüchen? Das kann nicht verallgemeinert werden. Denn immer wieder weisen Hausbesitzer in der Nähe von Steinbrüchen auf Schäden hin. Beispiel Odenspiel in Nordrhein-Westfalen: Hier beklagen sich seit Jahren zahlreiche Bürger über Risse in Gebäuden, ihrer Ansicht nach verursacht durch Sprengungen im benachbarten Steinbruch. Dort baut ein Unternehmen Grauwacke ab. Aber auch in diesem Fall sieht die zuständige Behörde keinen Zusammenhang zwischen den Erderschütterungen und Gebäudeschäden. Die Grenzwerte würden sogar unterschritten, zitiert der Kölner Stadt-Anzeiger das zuständige Umweltamt des Oberbergischen Kreises.

Einen Unterschied zu Dotternhausen allerdings gibt es. Während das Abbauunternehmen in Oderspiel den Steinbruch bis auf 300 Meter an die Ortsgrenze erweitern will, ist das betroffene Gebäude in Dotternhausen Luftlinie knapp zwei Kilometer vom Steinbruch auf dem Plettenberg entfernt.

Thema im Gemeinderat

Das Balinger Landratsamt gibt derweil mehrere Möglichkeiten für die Risse im Gebäude in Dotternhausen zu bedenken, nachdem ihrer Ansicht nach ein Erdbeben und die Sprengungen von Holcim ausgeschlossen werden können: „Mehrere weitere Ursachen können bauliche Mängel oder geologische Besonderheiten sein. Regional typisch sind Risse aufgrund jahreszeitlichen Volumenänderungen des Posidonienschiefers, die zu Hebungen und Setzungen des Untergrunds führen.“

Die Sprengung vom 22. April war erst vor kurzem auch Thema im Dotternhausener Gemeinderat. Mehrere Bürger hätten bemerkt, dass es an diesem Tag gehörig geschüttelt habe, führte Gemeinderat Otto Scherer aus. Holcim-Werksleiter Dieter Schillo sicherte zu, dass das Unternehmen Anfang November auf freiwilliger Basis ein zusätzliches Messgerät bei der Festhalle aufstellen werde. Besser sei es, im betroffenen Gebiet in Dotternhausen zu messen. Auch dem zeigte sich Schillo nicht abgeneigt.

Autor:  Daniel Seeburger

Quelle: zak

https://www.zak.de/Nachrichten/Sprengungen-oder-Geologie-Was-ist-die-Ursache-fuer-die-Risse-an-einem-Dotternhausener-Gebaeude-153006.html